The Midnight Library

January 31st 2023

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Für das neue Jahr habe ich mir vorgenommen, jeden Monat ein Buch zu lesen. Das klingt zwar nach nicht viel, aber das sind dann immerhin 12 Bücher in einem Jahr. Auch das ist für viele erst mal nicht viel, aber es fällt mir immer schwerer, mich zum Lesen zu animieren. Daher diese neue Idee.

Für Januar habe ich "The Midnight Library" von Matt HAIG gelesen und zwar auf Englisch. Wenn ich also ein bisschen daneben liege, mit den Bezeichnungen von Büchern o.Ä. liegt das da dran. Der Post enthält natürlich auch ein paar Spoiler, hier also eine Warnung. Außerdem an dieser Stelle auch eine Triggerwarnung: Im Roman geht es um Suizid.


Noras Leben ist ziemlich trostlos. Sie hatte alle Chancen der Welt, etwas aus sich zu machen, glücklich zu werden und ein Leben zu führen, das sie auf Instagram sieht, und sie hat all diese Chancen verstreichen lassen.

Sie hat nicht den Mann geheiratet, den sie eigentlich heiraten wollte, hat das Schwimmen aufgegeben, hat die Band verlassen, dafür die kleine graue Stadt, die ihre Heimat ist, jedoch nicht. Sie ist nicht mit ihrer besten Freundin nach Australien gegangen und hat stattdessen den Kontakt zur Freundin verloren. Mit ihrem Bruder hat sie keinen Kontakt mehr. Sie wurde auch keine Forscherin auf Svalbard. Und auch zu der Einladung zum Kaffee vor Jahren hat sie "Nein" gesagt. Kurz: Sie sieht sich als Versagerin.

Jetzt arbeitet sie in einem kleinen Musikladen und lebt mit ihrem Kater Voltaire zusammen. Sie leidet an Depressionen und unter der Reue, all das nicht gemacht zu haben, was sie hätte machen können.

Dann an einem schicksalshaften Abend stirbt ihr Kater und am nächsten Tag verliert sie ihren Job. Alles scheint aussichtslos. Sie tut also das, was sie als ihren letzten Ausweg sieht: sie begeht kurz vor Mitternacht Suizid.

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Doch anstatt einem Nichts, oder einem Himmel, oder was auch immer sie vielleicht erwartet hat, landet Nora in einer Bibliothek. Dort liest sie in ihrem Buch der Reue (Book of Regrets) über all die Dinge, die sie bereut. Und sie hat die Chance zu sehen, zu erleben, was wohl wäre, wenn sie sich anders entschieden hätte. Wenn sie den Mann geheiratet hätte (Spoiler: war gut, dass sie es nicht gemacht hat), wenn sie das Schwimmen nicht aufgegeben hätte (Olympia!; aber was war letztlich wohl in Portugal?), oder wenn sie die Band nie verlassen hätte (Konzerte in Rio, aber ein toter Bruder...). Und sie realisiert, dass viele der Dinge, die sie bereut, nicht zu dem Leben geführt hätten, dass sie sich in ihren einsamen Stunden erträumt hatte. Ein Erlebnis mit einem Eisbären auf Svalbard in ihrem Leben als Forscherin weckt zu ihrem Schrecken dann doch tatsächlich auch noch den Lebenswillen in ihr. Und ein Leben, nämlich das, in dem sie "Ja" zum Kaffee gesagt hat, will sie am liebsten gar nicht mehr verlassen.

Ich behalte für mich, wo sie am Ende landet. Aber ich finde das Ende sehr passend und gut gelungen. Es rundet sie Geschichte ab und bejaht das Leben.

Anders, als zum Beispiel das "Café am Rande der Welt" zwingt dieses Buch dem Leser seine Fragen und Antworten weniger direkt auf. Mir hat gefallen, dass ich Antworten vor der Protagonistin hatte, dass ich ihr Empfehlen wollte, bestimmte Bücher zu lesen, dass ich erkennen konnte, was für ein unangenehmer Typ Dan in Wahrheit war. Und mir hat gefallen, dass ich überrascht wurde von anderen Leben, zum Beispiel dem Leben in Australien, das ganz anders war, als ich es mir vorgestellt hätte - ganz so, wie auch Nora.

Ich fand toll, dass Nora die Chance hatte, Menschen aus ihrer Vergangenheit wieder zutreffen und ich habe viele der Emotionen, die sie in diesen Augenblicken empfunden hat, total verstehen können.

Alles in Allem ein tolles Buch, das für mich nicht wo weltbewegend war, wie für andere Leser, weil ich diese Art der Selbstreflektion schon lange selber mache, aber das ich jedem empfehlen würde, weil es selbst erfahrenen Selbstreflektoren (? - klingt wie diese Plastikdinger am Fahrrad) den Kopf zum Denken klar machen kann.

Ich hoffe, dass Nora den Hund adoptiert... und dass sie einen gewissen Jemand zum Kaffee einläd. Und "yay" für Ewan.

Mir wiegt das Herz so schwer
wie graue Wolken am Himmelszelt.
Und ich frag mich, wie’s wohl wär
in einer anderen, fremden Welt.

© Yana Schumacher